TMT Newsletter | August 2023
Ausblick
Der BGH wird sich in der Revisionshauptverhandlung im sog. Cyberbunker-Prozess am 24.08.23 u.a. damit befassen, ob sich die erstinstanzlich wegen Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung verurteilten Betreiber eines Darknet-Rechenzentrums auf das Hostingprivileg gem. § 10 TMG bzw. Art. 14 E-Commerce-RL berufen können. Am 14.09.23 wird der BGH die Metall-auf-Metall-Saga zwischen Moses Pelham und Kraftwerk um eine weitere Entscheidung ergänzen. Dabei wird es insbesondere um die 2021 eingefügte Pastiche-Schranke (§ 51a UrhG) gehen.
EuGH – Keine Privatkopie bei Online-Videorekorder mit Masterkopie
Wird die erste Aufnahme einer Fernsehsendung mittels "Deduplizierungsverfahren" allen anderen Nutzern des Online-Videorekorders, die diese Sendung auch aufnehmen wollen, zur Verfügung gestellt, liegt eine nicht von der Privatkopieschranke gedeckte Vervielfältigung vor. Demgegenüber begründen das Bereitstellen und Warten der für den Online-Videorekorder erforderlichen Hard- und Software keine öffentliche Wiedergabe. (EuGH Urteil C-426/21).
EuGH – Überwiegend wahrscheinliche Wettbewerbsbehinderung genügt für EUKOM-Untersagungsentscheidung unter FKVO
Das EuG hatte demgegenüber von der EUKOM verlangt, die erheblichen Wettbewerbsbehinderungen i.S.d. Art. 2 Abs. 3 VO 139/2004 "mit ernsthafter Wahrscheinlichkeit" nachzuweisen. Dieses Beweismaß hält der EuGH für überzogen, es genüge ein "more likely than not". Das EuG muss nun erneut über die Rechtmäßigkeit der von der EUKOM untersagten Telefónica-Übernahme durch Hutchinson Three entscheiden. (EuGH PM, EuGH Urteil C-376/20 P).
EuGH-GA – Werbezeitberechnung iRd AVMD-RL
Ein Fernsehveranstalter kann sich nach GAin Kokott nicht auf die Eigenwerbe-Ausnahme der Werbezeitbeschränkung nach Art. 23 aF AVMD-RL berufen, um das Programm eines verbundenen Hörfunkveranstalters zu bewerben. Die Ausnahme erfasse nur Hinweise auf eigene "Sendungen", die selbst audiovisuelle Mediendienste i.S.d. AVMD-RL sind. Letzteres sei bei bloßen Hörfunksendungen nicht der Fall (EuGH-GA Anträge C-255/21).
EuGH-GA – Sendeunternehmen haben grds. Anspruch auf gerechten Ausgleich bei Privatkopien
Nach Ansicht von GA Collins dürfen Mitgliedstaaten, die die Privatkopieausnahme in Art. 5 Abs. 2 lit. b) InfoSoc-RL umgesetzt haben, keine Gruppe von Rechteinhabern vom korrespondierenden Ausgleichsanspruch ausschließen. Danach wäre der entsprechende Ausschluss von Sendeunternehmen in § 87 Abs. 4 UrhG – vorbehaltlich einer wohl an der Wortlautgrenze scheiternden richtlinienkonformen Auslegung – europarechtswidrig und damit unanwendbar (EuGH-GA Anträge C-260/22).
EuGH-GA – Mitgliedstaaten können Arzneimittel-Vermittlungsplattform nur unter sekundärrechtlichen Anforderungen verbieten
Hierfür sind laut GA Szpunar allerdings die Anforderungen des Art. 85c Abs. 2 RL 2011/62/EU zu beachten: Das Verbot der Vermittlung von Arzneimittel-Käufern an Apotheken muss zum Schutz der öffentlichen Gesundheit geeignet und erforderlich sein. Darüber hinaus kann für eine Regulierung der Vermittlungsplattform als Dienst der Informationsgesellschaft iSd Art. 1 Abs. 1 lit. b) Info-RL das Herkunftslandprinzip aus Art. 3 E-Commerce-RL relevant sein (EuGH-GA Anträge C-606/21 [EN]).
EuGH-GA – Internationale Übereinkünfte ohne unmittelbare Wirkung auch ohne Auslegungswirkung für EU-Recht
Die unmittelbare Wirkung kann nach Ansicht von GAin Capeta allerdings auch daraus folgen, dass der EU-Gesetzgeber das europäische Recht an die internationale Übereinkunft habe angleichen wollen. Dies sei für die Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums mit Blick auf das EU-Geschmacksmusterrecht der Fall (EuGH-GA PM, Anträge C-382/21 P).
EUKOM – Missbräuchliche Bündelung von Microsoft Teams und Office-365-Paketen?
Anlass der nun eingeleiteten Untersuchung ist, dass Microsoft sein Kommunikationsprogramm Teams in seine Datenverarbeitungsprogrammpakete Office 365 und Microsoft 365 eingebunden hat. Hierdurch könnte sich Microsoft für Teams einen Vertriebsvorteil gesichert haben. Außerdem könnte der Konzern die Interoperabilität seiner Datenverarbeitungsprogramme mit den Kommunikationsprogrammen anderer Hersteller eingeschränkt haben (EUKOM PM v. 27.07.23).
EP – Cyber-Resilience Act vom Ausschuss angenommen
Der VO-Vorschlag der EUKOM aus 2022 soll durch neue Pflichten für die Hersteller von "Produkten mit digitalen Elementen" Verbraucher und Unternehmen vor Cyberangriffen schützen. Der ITRE-Ausschuss des EP will die Kategorie der "kritischen Produkte", welche eine besonders hohe Gefahr für die Cybersicherheit darstellen, u.a. um Identitätsverwaltungsprogramm und private Überwachungssysteme ergänzen. Diese müssten dann auch das strengere Konformitätsbewertungsverfahren nach Art. 24 Abs. 2, 3 CRA-E durchlaufen (EP PM v. 19.07.23).
EDSA – Informationen und Stellungnahmen zu Angemessenheitsbeschlüssen
Diese Beschlüsse erleichtern den EU-US- und EU-Japan-Datentransfer. Zum neuen EU-US Data Privacy Framework (DFP) hat der EDSA in einem FAQ u.a. zu den Rechtsbehelfen betroffener EU-Bürger und zu Datentransfers, welche der DFP nicht erfasst, Stellung genommen. Bezüglich der ersten Überprüfung des EU-Japan-Beschlusses durch die EUKOM merkt der EDSA in einer Stellungnahme an, dass ob der grundsätzlichen Übereinstimmung der Datenschutzniveaus ein vierjähriger Überprüfungsrhythmus genügt (EDSA PM v. 19.07.23).
DSB Sachsen-Anhalt – Staatskanzlei Mit-Verantwortliche der Facebook-Fanpage
Hieraus folgt u.a. die Pflicht, die Einhaltung der DSGVO nachzuweisen. Da die Staatskanzlei dies aktuell aber nicht leisten kann, hat die Sächsische Datenschutz- und Transparenzbeauftragte den Betrieb der Fanpage untersagt. Die Staatskanzlei hat eine Prüfung des Bescheids angekündigt und dabei auf ihren Informationsauftrag sowie auf das "Musterverfahren" des BfDI bezüglich der Untersagung der Bundesregierung-Fanpages hingewiesen, welche gerade vorm VG Köln verhandelt werde (DSB S-A PM, Bescheid v. 07.07.23).
BKartA – Bestpreisklausel bei Lieferando vorerst gebilligt
Die Vermittlungsplattform für Essensbestellungen hatte in ihren AGB Restaurants verpflichtet, keine günstigeren Preise als auf der Plattform anzubieten. Zwar ist Lieferando Marktführer auf dem Essensliefermarkt. Durch den Hinzutritt weiterer Anbieter (Uber Eats, Wolt) und dem Ende der Corona-Pandemie, kann das BKartA ein Markteintrittshindernis auf dem dynamischen Markt zurzeit aber nicht sicher feststellen. Daher hat das Amt die Untersuchung vorläufig eingestellt (BKartA PM v. 12.07.23).
BVerfG – Wegfall der "Dringlichkeit" bei einstweiligen Verfügungen im Presserecht
Der nun veröffentlichte Beschluss klärt einmal mehr, wann eine Berichterstattung auch ohne mündliche Verhandlung untersagt werden kann. Demnach kann zwar gerade in Pressestreitigkeiten die Dringlichkeit gebieten, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden. Ein dringender Fall liegt aber in der Regel nicht mehr vor, wenn das Gericht zwischen Antragstellung und Entscheidungsausfertigung acht Wochen verstreichen lässt. Vielmehr ist dann eine mündliche Verhandlung anzusetzen (BVerfG Beschluss v. 15.06.23).
BGH – Keine Eigentumsbeeinträchtigung durch Eintrag in Lost Art-Datenbank
In dieser Datenbank können Nachfahren von im Dritten Reich rechtswidrig enteigneten Kunsteigentümern die betroffenen Werke melden. Meldungen in der Datenbank sollen das Zusammenführen ehemaliger und aktueller Eigentümer des Werkes erleichtern. Eine solche Meldung sei kein Berühmen des Eigentums gegenüber dem aktuellen Eigentümer, vielmehr weise sie nur frühere Eigentümer aus. Gegen diese wahre Tatsache kann der aktuelle Eigentümer auch keinen Löschungsanspruch geltend machen (BGH PM v. 21.07.23 ).