TMT Newsletter | Dez 2024
Ausblick
Der EuGH verhandelt am 10.12.24 über den Handlungs- und Erfolgsort bei einem behaupteten Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung eines App-Storeanbieters (C-34/24) und am 11.12.24 über die unionsrechtlichen Anforderungen an urheberrechtliche Mindestvergütungen (C-37/24). Der BGH verhandelt – nach zwei Vorlageverfahren an den EuGH und dessen jüngster Entscheidung vom 11.07.24 – am 19.12.24 erneut darüber, ob Verbraucherschutzverbände Datenschutzverstöße sozialer Netzwerke verfolgen können (I ZR 186/17). Der EuGH entscheidet am selben Tag, neben Fragen zur Datenverarbeitung im Beschäftigungskontext, erneut zu Voraussetzungen und Umfang des immateriellen Schadensersatzes bei Datenschutzverstößen, Art. 82 DSGVO (C-65/23). Am 09.01.25 verhandelt der BGH, ob Birkenstock-Sandalen als Werke der angewandten Kunst urheberrechtlichen Schutz erhalten können (I ZR 16/24).
EuGH – „Durchschnittsverbraucher“ kann kognitiven Verzerrungen unterliegen
Grundsätzlich bleibt es jedoch dabei, dass der Durchschnittsverbraucher i.S.d. UGP-RL ein angemessen gut unterrichteter und aufmerksamer, kritischer Verbraucher ist. Die objektive Betrachtung ist aber um "realitätsbezogene Aspekte", wie fehlendes technisches Verständnis aufgrund sozialer, kultureller oder sprachlicher Faktoren, zu erweitern. Die nationalen Gerichte haben ferner zu prüfen, ob die Geschäftspraktik tatsächlich das Verhalten wesentlich beeinträchtigt hat (Urteil C-646/22).
EuGH – Begrenzung der Informationspflichten auch bei neu erzeugten Daten
Betroffene sind auch über Datenerhebungen zu informieren, die nicht bei ihnen stattfinden, Art. 14 DSGVO. Eine Ausnahme hiervon besteht, wenn europäisches oder nationales Recht die Erlangung oder Offenlegung der Daten durch den Verantwortlichen ausdrücklich regelt. Diese Ausnahme gilt nicht nur für die von anderen Stellen erlangte Daten, sondern auch für beim Verantwortlichen neu erzeugte personenbezogene Daten. Dies kann etwa ein QR-Code sein, der die erlangten Daten zusammenführt (C-169/23).
EuGH – Regeln zu Vervielfältigungen aus InfoSoc-RL mit unmittelbarer Wirkung
Private können sich gegenüber Verwertungsgesellschaften auf eine unionswidrige nationale Umsetzung des "gerechten Ausgleich" nach Art. 5 Abs. 2 lit. a), b) Info-Soc-RL berufen. Verstößt die nationale Regelung gegen Unionsrecht, etwa durch eine pauschale Vergütung ohne Rückerstattungsmechanismus, sodass eine Überkompensation droht, hat das nationale Gericht die Umsetzung unangewendet zu lassen (Urteil C-230/23).
EuG – Durch Fusion erlangte marktbeherrschende Stellung nicht ausreichend für Untersagung
Die EUKOM hatte in ihrem Fusionsbeschluss die Übernahme des TK-Geschäfts von Liberty Global in vier Mitgliedstaaten durch Vodafone genehmigt. Auch das EuG sah in den beteiligten Unternehmen auf den relevanten Märkten keine Wettbewerber. Vodafone könnte so zwar eine marktbeherrschende Stellung erlangen; unvereinbar mit dem Binnenmarkt sind aber erst solche Fusionen, die den wirksamen Wettbewerb auf dem relevanten Markt erheblich behindern (PM, Urteil T-58/20, T-64/20, T-69/20).
BGH – Schadensersatzanspruch bereits bei nur kurzzeitigem Kontrollverlust über eigene Daten
Im Leitentscheidungsverfahren waren nach einem Scraping-Vorfall auf einem sozialen Netzwerk personenbezogene Daten mehrerer Millionen Nutzer weltweit öffentlich verbreitet worden. Der Kläger habe sich über den hiermit verbundenen erlittenen Kontrollverlust geärgert. Der BGH verlangt neben dem erlittenen Kontrollverlust über die Daten keine weitere Beeinträchtigung für einen immateriellen Schadensersatzanspruch (PM, Urteil VI ZR 10/24).
BGH – VG-Einnahmen zur Förderung kulturell bedeutender Werke?
Die EuGH-Vorlage betrifft die Vereinbarkeit des § 32 Abs. 1 VGG, der eine solche Förderung vorsieht, mit der InfoSoc-RL (Art. 5 Abs. 2 lit. b)), der Vermiet- und Verleih-RL (Art. 6 Abs. 1 S. 1) und der VG-RL (Art 11 Abs. 4, Art 12 Abs. 4). Im konkreten Fall sehen Verteilungsplan und Satzung der VG Wort vor, dass Herausgeber und der Förderungsfonds Wissenschaft an den Einnahmen durch die Rechtewahrnehmung zu beteiligen sind (PM I ZR 135/23).
OLG Frankfurt a. M. – Löschung von Posts mit Fehlinformationen zulässig
Ein Nutzer hatte auf Facebook in einem Post u.a. behauptet, die Corona-Impfungen wirkten nicht, sondern führten zu schwersten Nebenwirkungen. Das soziale Netzwerk berief sich bei der Löschung dieses Posts auf den Nutzungsvertrag mit dem Nutzer: Hiernach behält sich die Plattform das Recht vor, Falschmeldungen u.a. in „Fehlinformationen zu Impfstoffen“ zu entfernen. Zulässig bleibt hingegen weiter sachbezogene Kritik am derzeitigen wissenschaftlichen Kenntnisstand (PM v. 15.11.24).
LG Stuttgart – Alte "Newszone"-App des SWR war nicht presseähnlich
Die App bietet Inhalte des Jugend-Telemediendienstes DASDING.de an. Presseverlage sahen hierin ein eigenes, aber nicht genehmigtes Telemedienangebot. Das LG hielt dies für eine Frage des öffentlichen (Rundfunk-)Rechts, welche von der Verwaltungsgerichtsbarkeit zu beantworten sei. Die App sei auch nicht presseähnlich (§ 30 Abs. 7 S. 1 MStV), da grds. nicht isoliert die App, sondern das gesamte Telemedienangebot zu betrachten sei. DASDING.de sei jedoch nicht presseähnlich, sodass auch die Newszone-App zulässig ist (PM v. 14.11.24).