TMT Newsletter | Januar 2024

Ausblick Der EuGH verhandelt am 08.02.24 u.a. über das Verhältnis der datenschutzrechtlichen Rechtfertigungsgründe der Einwilligung und der Vertragserforderlichkeit (C-446/21). Am 17.02.24 tritt der DSA endgültig für sämtliche erfasste Dienste in Kraft, Art. 93 Abs. 2 DSA (vgl. auch unten BT mit DDG-Reg-E).

EuGH – Markenmäßige Benutzung durch Vertrieb von KFZ-Ersatzteilen Ein Kühlergrill, der eine Ausstanzung für die Anbringung eines AUDI-Logos für die Anbringung dieses Logos enthält, kann einen Zusammenhang zwischen dem Ersatzteil und der Marke AUDI herstellen und deren Funktion, eine bestimmte Herkunft bzw. Qualität zu garantieren, beeinträchtigen. Die Reparaturklausel der VO (EG) 6/2002 ist nicht anwendbar (PM, EuGH Urteil C-334/22).

EuGH – Anforderungen an Verarbeitung sensibler Daten und Schadensersatz Die Rechtmäßigkeitsanforderungen ergeben sich zum einen aus Art. 9 DSGVO. Den dortigen Erlaubnistatbeständen dürfen indes keine über deren Wortlaut hinausgehenden Anforderungen hinzugefügt werden, die nicht nationales geregelt sind (Art. 9 Abs. 4 DSGVO). Zum anderen sind grds. die allgemeinen Anforderungen (insb. Art. 5, 6 DSGVO) zu beachten. Der Schadensersatzanspruch aus Art. 82 DSGVO hat keine Straffunktion und setzt einen Verschuldensnachweis voraus (EuGH Urteil C-667/21).

EuGH – Verschuldensunabhängige Haftung für aufgehobene einstweilige Maßnahmen Während GA Szpunar eine solche für mit Art. 9 Abs. 7 Enforcement-RL unvereinbar ansah, ist sie für den EuGH jedenfalls dann fair, verhältnismäßig und abschreckend und damit unionsrechtskonform. Das gilt jedenfalls dann, wenn das nationale Gericht den Verschuldensgrad bei der Bemessung der Schadensersatzhöhe berücksichtigen kann (EuGH Urteil C-473/22).

EuGH-GA – DSGVO-Verbandsklagebefugnis auch bei Informationspflichtverletzung Der für die Klagebefugnis nach Art. 80 Abs. 2 DSGVO erforderliche Zusammenhang zwischen Rechtsverletzung und Datenverarbeitung ("infolge einer Verarbeitung") sei gegeben, sofern die Rechtsverletzung die Verarbeitung rechtswidrig mache. Ob die Rechtsverletzung der Verarbeitung vor oder nachgehe sei hingegen irrelevant (Antrag C-757/22).

EuGH-GA – Herkunftslandprinzip bei Online-Diensteanbietern bestätigt Anknüpfend an die EuGH-Entscheidung zum österr. KoPl-G (C-376/22) hält GA Szpunar auch abstrakt-generelle Transparenzvorgaben für Online-Diensten nach italienischem Recht für unvereinbar mit dem Herkunftslandprinzip der E-Commerce-RL. Die bußgeldbewehrten Vorgaben seien auch keine Umsetzung der Plattform-VO (PM, Anträge C-662/22 bis C-667/22).

EP – Entschließung für angemessene Vergütung von Musikern beim Streaming In ihrem unverbindlichen Beschluss fordern die Abgeordneten die EUKOM auf, ein entsprechendes Gesetz zu entwerfen: Die Sichtbarkeit europäischer Musik solle sichergestellt und die Erstellung KI-basierter Musikempfehlung offengelegt werden. "Prädigitale Lizenzgebührensätze" sollten an moderne Nutzungen angepasst werden. Systeme, in denen Vergütung gegen Sichtbarkeit eingetauscht werde sollten überdacht werden (EP PM, Entschließung v. 17.01.24).

EUKOM – Elf Angemessenheitsbeschlüsse noch aus Zeiten der Datenschutz-RL bestätigt Damit kann die Datenübermittlung in diese Länder (u.a. Andorra, Argentinien, Israel, Neuseeland und die Schweiz) grundsätzlich voraussetzungslos stattfinden, Art. 45 Abs. 1 DSGVO. Angemessenheitsbeschlüsse werden regelmäßig überprüft und können bei einem Abfallen unter ein der "Sache nach gleichwertiges" Schutzniveau widerrufen werden. Nach Ansicht der EUKOM hätte sich aber das Niveau des ausländischen Datenschutzes vielmehr dem der DSGVO weiter angenähert (EUKOM PM, Bericht v. 15.01.24).

BT – Bundesnetzagentur als "Koordinator für digitale Dienste" Das Digitale-Dienste-Gesetz (DDG) soll der Durchführung des DSA dienen, der als Verordnung grundsätzlich unmittelbar in den Mitgliedstaaten gilt. Der "Koordinator für digitale Dienste" soll die einheitliche Anwendung des DSA sichern, Art. 49 ff. DSA. Bestimmte Verstöße von juristischen Personen mit einem weltweiten Jahresumsatz von mehr als EUR 5 Mio. bzw. 10 Mio. könnten eine Geldbuße von bis zu 6 % des weltweiten Jahresumsatzes nach sich ziehen. Der Bundestag verwies das DDG nach erster Lesung in den Digitalausschuss (BT PM v. 18.01.24).

BGH – Was ist der europarechtliche Werkbegriff bei angewandter Kunst? Hatte das OLG Düsseldorf dem Möbelsystem USM Haller urheberrechtlichen Schutz mangels freier kreativer Entscheidungen noch versagt, legt der BGH (ähnlich einem schwedischen Gericht) dem EuGH diesbezüglich drei Fragen vor: Sind bei Werken angewandter Kunst im Vergleich zu anderen Werken höhere Anforderungen an die Originalität zu stellen? Ist die Sicht des Schöpfers für die Originalität (mit)entscheidend? Ist die spätere Rezeption von Werken für die Beurteilung der Originalität relevant? (BGH PM, Beschluss v. 21.12.23).

OLG Frankfurt am Main – Take-Down-Pflicht für sinn- bzw. kerngleiche Posts Eine Betreiberin eines sozialen Netzwerks hafte als mittelbare Störerin nicht nur für rechtsverletzende Nutzer-Posts, sondern auch für sinn- bzw. kerngleiche Posts. Dies gelte selbst dann, wenn die Betreiberin dazu eine menschlich-händische Einzelfallbewertung dieser Posts durchführen müsse. Angesichts der – auch europarechtlichen (EuGH C-18/18Glawischnig-Piesczek) – Bedeutung dieser Frage hat das OLG die Revision zugelassen (OLG FFM PM).

KI/USA – New York Times klagt gegen ChatGPT wegen unzulässigem Text-Mining Die Zeitschrift wirft der generativen Text-KI ChatGPT vor, ihre Artikel massenweise als Input für ihr Training benutzt zu haben. Auch Outputs der KI würden teils Urheberrechte an den Artikeln verletzen: Mit einem Artikelanfang als Prompt "generiert" ChatGPT regelmäßig wortlautgetreu den Zeitungsartikel als Ausgabe. Durch fortlaufendes Training mit neuen Artikeln könnten Anfragen zu diesbezüglichen Nachrichten bei ChatGPT außerdem das Ausrufen der Times-Webseite substituieren (NYT PM, Klage v. 27.12.23).