TMT Newsletter | Juni 2024
Ausblick
Der BGH verhandelt am 27.06.24 über die lauterkeitsrechtlichen Vorgaben für Werbung mit durchschnittlichen Sternebewertungen (I ZR 143/23) sowie über die urheberrechtliche Zulässigkeit der Nutzung von Abbildungen einer Fototapete (I ZR 139/23 – I ZR 141/23). Der EuGH verhandelt am 02.07.24 u.a. darüber, ob ein Online-Ad-Hosting-Betreiber, der sich das Recht vorbehält, die für Kunden hochgeladene Werbung selbst zu nutzen, noch unter die Hosting-Privilegien der E-Commerce-RL fällt (C-492/23). Der EuGH entscheidet am 11.07.24 (auf erneute Vorlage des BGH) zur Frage der Klagebefugnis von Verbraucherverbänden nach Art. 80 DSGVO, insbesondere, ob eine Verletzung der Informationspflicht „infolge der Verarbeitung“ geschieht (C-757/22). GA Szpunar veröffentlicht ebenfalls am 11.07.24 seine Schlussanträge zum datenschutzrechtlichen Grundsatz der Datenminimierung bei der Kundenanrede (C-394/23) sowie am 11.07.24 zu Fragen bzgl. Werken angewandter Kunst im internationalen Urheberrecht (C-227/23). Das EuG urteilt am 17.07.24 über die Stellung des TikTok-Betreibers Bytedance als Gatekeeper i.S.d. DMA (T-1077/23).
EuGH – Bereitstellung von Fernsehern mit Zimmerantennen unter Umständen öffentliche Wiedergabe
Der Betreiber eines Apartmenthauses nimmt durch die bloße Bereitstellung der Empfangsgeräte eine "Handlung der Wiedergabe" vor; eine Unterscheidung zwischen Zentral- und Zimmerantenne (so i.E. der BGH in Königshof) verstieße gegen den Grundsatz der Technologieneutralität. Ob die Wiedergabe auch "öffentlich" ist, hängt vom Zweck der Apartments an, nämlich ob diese nur vorübergehend (öffentlich) oder dauerhaft als Wohnsitz genutzt werden (PM, Urteil C-135/23).
EuGH – Durchsetzung der P2B-VO rechtfertigt nicht Abweichung vom Herkunftslandprinzip
Italien hatte für Online-Vermittlungsdienste und Suchmaschinen zur "angemessenen und wirksamen Durchsetzung" der P2B-VO (Register-)Pflichten erlassen. Dienste wie Airbnb, Google und Amazon haben ihre EU-Niederlassung jedoch in Irland bzw. Luxemburg. Es liegt auch keine Ausnahme vom Herkunftslandprinzip (Art. 3 E-Commerce-RL), etwa eine Maßnahme zum Verbraucherschutz, vor, da die P2B-VO Verbraucher allenfalls indirekt erfasst (PM, Urteile C-662/22, C-667/22, C-663/22, C-664/22, C-666/22, C-665/22).
EuGH – Auch bei bedingter Zahlungsverpflichtung Hinweis auf Bestell-Button nötig
Nach Art. 8 Abs. 2 UA 2 Verbraucherrechte-RL müssen Unternehmer beim Abschluss eines entgeltlichen Fernabsatzvertrages eine Schaltfläche mit den Worten "zahlungspflichtig bestellen" kennzeichnen. Ein deutscher Legal-Tech Anbieter, der Mietzinsrückforderungen geltend machte, behielt im Erfolgsfall ein Drittel der ersparten Jahresmiete als Vergütung ein. Da auch dies bereits eine Zahlungsverpflichtung darstellt, muss die Schaltfläche bei Aufgabe der Online-Bestellung hierauf hinweisen (PM, Urteil C-400/22).
EuGH-GA – DSGVO-Löschungsantrag für HR-Eintragung ohne weitere Voraussetzungen
Nach Ansicht von GAin Medina sei die für Eintragungen im Handelsregister zuständige Stelle alleinige Verantwortliche bei der diesbezüglichen Datenverarbeitung. Im bulgarischen Ausgangsverfahren greife kein Rechtfertigungsgrund aus Art. 6 DSGVO. Ein etwaiger Löschungsanspruch gem. Art. 17 DSGVO dürfe nicht vom Vorlegen von geschwärzten Kopien der beanstandeten Daten abhängig sein, da dies den Löschungsanspruch unverhältnismäßig einschränke (Anträge C-200/23).
EuGH-GA – Bestpreisklauseln bei Hotel-Vergleichsportalen keine Nebenabreden
Enge Bestpreisklauseln untersagen dem Hotel, auf der eigenen, weite Bestpreisklauseln untersagen ihm auch auf Webeseiten Dritter niedrigere Zimmerpreise anzubieten. Nur für den Fall, dass diese "unverzichtbar und angemessen" für die wirtschaftliche Überlebensfähigkeit der Online-Reisebüroplattform sind, sieht GA Collins in solchen Klauseln Nebenabreden i.S.d. Art. 101 AEUV. Im Übrigen seien sie aber, wie auch die Verfahrensgeschichte gezeigt habe, verzichtbar (Anträge C-264/23).
EuGH-GA – Sicherheitsvorschriften i.d.R. nicht im koordinierten Bereich der E-Commerce-RL
Im koordinierten Bereich gelten für Dienste der Informationsgesellschaft grds. nur die Regeln des Herkunftslands. Vorliegend vermarktet ein deutsches Unternehmen Parfum mit deutschem Aufdruck in Schweden. Die schwedische Umsetzung von Art. 8 Abs. 2 RL 75/324 verlangt schwedische Aufdrucke. Ein hierauf gestütztes Verbot sei nach GA Szpunar nicht im koordinierten Bereich: Es kann zwar Online-Werbung und -Verkauf beeinflussen, beruht aber auf einem Verstoß gegen Sicherheitsvorschriften (Anträge C-88/23).
BGH – Auch Online-Mogelpackungen lauterkeitsrechtlich unzulässig
Die streitige Duschgeltube enthielt im oberen – undurchsichtigen – Drittel nur Luft. Ob das hiergegen gerichtete Unterlassungsbegehren (auch) aus dem spezialgesetzlichen § 43 Abs. 2 MessEG i.Vm. § 3a UWG folgt, ließ der BGH offen: Für Handlungen von Unternehmen gegenüber Verbrauchern bestimmt sich die Unlauterkeit allein nach der hier vollharmonisierenden UGP-RL und ihrer Umsetzung, § 5 UWG. Bei Mogelpackungen liegt eine Irreführung unabhängig vom Vertriebsweg, folglich auch bei Online-Käufen, vor (PM, Urteil I ZR 43/23).
OLG Düsseldorf – Reichweite des markenrechtlichen Schutzes dreier Längsstreifen
Adidas bringt auf seinen Sporthosen i.d.R. drei vertikal verlaufende, gleichbreite Längsstreifen an. Die angesprochenen Verkehrskreise nehmen dies auch als Herkunftshinweis wahr. Nichtsdestominder kann Konkurrent Nike Sporthosen vertreiben, welche ebenfalls Streifenmuster entlang der Außennaht aufweisen: Sind etwa neben den Streifen fremde Herkunftszeichen (Nike-Swoosh) angebracht, erscheinen die Streifen nicht als Herkunftshinweis, sondern nur als dekoratives Element (OLG Düsseldorf PM v. 28.05.24).
OLG Frankfurt a.M. – Plattformbetreiber haften nur bei konkreter Verdachtsmeldung
Posten Nutzer auf Online-Plattformen rechtsverletzende Inhalte, können zur Entfernung dieser Beiträge auch die Plattformen selbst in Anspruch genommen werden. Voraussetzung hierfür ist jedoch u.a., dass "der Rechtsverstoß auf Grundlage der Behauptung des Betroffenen unschwer bejaht werden kann." Vorliegend hatte der Kläger nur pauschal "rechtswidrige Inhalte" gerügt, weswegen das OLG im Eilverfahren die Klage abwies (OLG FFM PM v. 13.06.24).
Deutschland – (EU-)Grundrechte und Sampling im Urheberrecht
Neben dem EuGH (C-590/23) befasst sich auch das BVerfG (erneut) mit dem Metall-auf-Metall-Epos (1 BvR 948/23). In Beantwortung mehrerer Fragen zum Verhältnis der Grundrechte aus GG und EU-GrCh führt der DAV aus, dass bereits § 24 UrhG a.F. eine Pastiche-Schranke gewesen sei. Die Frage, ob Sampling ein Pastiche i.S.d. Unionsrechts ist, solle das BVerfG dem EuGH vorlegen (DAV-Stellungnahme v. 02.06.24). Die GRUR-Stellungnahme geht in eine ähnliche Richtung, verneint aber die Notwendigkeit einer EuGH-Vorlage (GRUR SN v. 30.04.24).
Niederlande – Tethered Download als Privatkopie?
Diese auch als „offline streaming copy“ bezeichneten Downloads sind an ein gültiges Abonnement einer Streaming-App gebunden ("tethered"). Die Rechte werden üblicherweise von den Streaming Diensten mit den Musikrechten für den Dienst erworben. Der Hoge Raad fragt den EuGH, ob auch derartige Vervielfältigungen "zum privaten Gebrauch" von der Privatkopieschranke gedeckt sind. Anlass des Streits war, dass erstmals Umsätze aus Tethered Downloads in die Berechnung der Geräteabgabe einbezogen wurden (Beschluss Hoge Raad v. 17.05.24).