TMT Newsletter | März 2025
Ausblick
Am 27.03.25 entscheidet der BGH darüber, ob Verbraucherschutzverbände (nachfolgend EuGH vom 11.07.24; I ZR 186/17) und Mitbewerber (nachfolgend EuGH-Entscheidung 04.10.24; I ZR 223/19) Datenschutzverstöße verfolgen können. Am selben Tag verhandelt der BGH über die urheberrechtliche Zulässigkeit eines Werbeblockers (I ZR 131/23) sowie darüber, ob das Einspielen einer Cheat-Software eine Umarbeitung des Computerprogramms darstellt (nachfolgend EuGH vom 17.10.24; I ZR 157/21). Ebenfalls am 27.03.25 veröffentlicht GA Sánchez-Bordona seine Schlussanträge zu Handlungs- und Erfolgsort bei einem vorgeworfenen Marktmissbrauch durch einen App-Store (C-34/24) und GA Szpunar veröffentlicht seine Schlussanträge u.a. zum datenschutzrechtlichen Rechtfertigungsgrund bei der Datenverarbeitung für die Versendung eines täglichen Mail-Newsletters (C-654/23). Am 02.04.25 verhandelt der EuGH auf Vorlage des BGH zur öffentlichen Wiedergabe in einem Seniorenheim (C-127/24). Am 10.04.25 veröffentlicht GA Sánchez-Bordona seine Schlussanträge zur Zulässigkeit einer Klage eines einzelnen Miturhebers bei einem Gemeinschaftswerk (C-182/24).
EuGH – Kein zwingender Marktmissbrauch bei verweigerter Interoperabilität
Ein Anspruch eines App-Anbieters auf Zugang zu einer Benutzeroberfläche setzt keine Unerlässlichkeit des Zugangs voraus („Bronner-Kriterium“). Es genügt, wenn die Benutzeroberfläche mit dem Ziel entwickelt wurde, auch Drittanbieter-Apps aufzunehmen und die Aufnahme die Drittanbieter-App für Verbraucher attraktiver macht. Der Zugang kann gleichwohl aus verschiedenen Gründen (e.g., fehlendes template, Sicherheit/Integrität der Plattform, andere technische Gründe) verweigert werden (PM, C-233/23).
EuGH – Auskunftsumfang und -ausschluss beim Profiling
Der Verantwortliche einer automatisierten Entscheidungsfindung (Art. 22 DSGVO) muss dem Betroffenen transparent und nachvollziehbar Auskunft über Verfahren und Verarbeitungsgrundsätze geben. Die Übermittlung des Algorithmus reicht nicht aus. Zwar kann sich der Verantwortliche auf ein Geschäftsgeheimnis am Algorithmus berufen. Dies rechtfertigt aber keinen gesetzlichen Ausschluss des Auskunftsrecht, sondern erfordert eine Übermittlung des Algorithmus an die zuständige Aufsichtsbehörde oder das zuständige Gericht (PM, C-203/22).
EuGH – Berichtigung der Geschlechtsidentität auch ohne Nachweis einer Operation möglich
Die Frage der „Richtigkeit“ der Daten ist für das Recht auf Berichtigung (Art. 16 DSGVO) zweck- und DSGVO-spezifisch zu beurteilen. Die Daten können auch dann unrichtig sein, wenn es im nationalem Recht kein Verfahren zur rechtlichen Anerkennung von Transidentitäten gibt. Zum Nachweis der Unrichtigkeit genügen ärztliche Atteste; der verpflichtende Nachweis einer entsprechenden Operation ist unverhältnismäßig (PM, C-247/23).
EuGH – Ansprüche angestellter ausübender Künstler nicht ohne Zustimmung abtretbar
Die im Belgischen Staatsorchester mit verwaltungsrechtlichem Status angestellten Künstler fallen unter die unionalen urheberrechtlichen Regelungen. Ihr urheberrechtlichen Beteiligungsansprüche können nicht ohne ihre Einwilligung abgetreten werden. Eine Regelung in einem „Königlichen Erlass“, die diese Ansprüche in eine Pauschalvergütung umwandelt, ist unionsrechtswidrig (C-575/23).
EuGH-GA – Vorbeugender Unterlassungsanspruch bei Datenschutzverletzung
Der Anspruch ist zwar nicht explizit in den Art. 17, 18 DSGVO normiert, er folgt nach GA Sánchez-Bordona aber aus Sinn und Zweck der Art. 5, 6, 79 DSGVO. Ein Betroffener muss sich auch gegen drohende Datenschutzverletzungen wehren können. Die Voraussetzungen dieses Anspruchs richten sich nach nationalem Recht, wobei die Grundsätze der Äquivalenz und Effektivität zu beachten sind. Ein möglicher Unterlassungsanspruch mindert nicht einen möglichen immateriellen Schadensersatzanspruch (Anträge C-655/23).
EUKOM – Über 50 % der Online-Gebrauchtwarenhändler mit Verbraucherschutzverstößen
Bei „Sweeps“ der EUKOM und nationaler Verbraucherschutzverbände hat sich gezeigt, dass von 356 überprüften Online-Händlern 52 % vermutlich gegen Verbraucherschutzregeln (Widerrufsrecht, Rückgaberecht, Garantieregeln) verstoßen. Die nationalen Behörden können nun Verfahren einleiten (EUKOM PM v. 07.03.25).
BGH – Apple mit überragender marktübergreifender Bedeutung
Der BGH bestätigte diese Feststellung des BKartA. Apple ist mit seinen verschiedenen Angeboten auf mehrseitigen Märkten tätig, § 18 Abs. 3a GWB. Für eine überragende marktübergreifende Bedeutung genügt die Möglichkeit einer Wettbewerbsbeeinträchtigung; diese muss noch nicht eingetreten sein. Die Benennung als Gatekeeper i.S.d DMA steht der Feststellung nach nationalem Recht nicht entgegen. Das BKartA kann nun bestimmte Verhaltensweisen von Apple und verbundenen Unternehmen untersagen, § 19a GWB (PM KVB 61/23).
BGH – Sandalen kein urheberrechtliches Werk der angewandten Kunst
Damit endet ein instanzgerichtlicher Streit über die urheberrechtliche Schutzfähigkeit von Birkenstock-Sandalen. Laut BGH nutzen die Schuhmodelle den gestalterischen Freiraum nicht im notwendigen Maße in künstlerischer Weise. Auch bei Werken der angewandten Kunst bedarf es eines Mindestmaßes an erkennbarer Individualität. Dies hat Birkenstock für seine Sandalen nicht dargelegt (PM, Urteil I ZR 16/24).
OLG FFM – Hostprovider muss nach Hinweis auch sinngleiche Inhalte sperren
Vor einem Hinweis, also initiativ müssen Hostprovider nicht tätig werden. Nach einem Hinweis auf einen rechtswidrigen Inhalt umfasst die Löschpflicht aber auch „sinngleiche“ Posts. Bei gleichbleibendem Text und Bild sind auch noch solche Posts „sinngleich“, die eine abweichende Gestaltung, eine bloße Änderung typografischer Zeichen oder eine zusätzliche Caption bei gleichbleibendem Inhalt aufweisen (OLG FFM PM v. 11.03.25).
LG Köln – Haftung eines Presseverlages für unrichtige Suchvorschau
Der Artikel einer Zeitung befasste sich mit Hygienemängel zweier Restaurants einer Franchisekette. Im für Suchmaschinen aufbereiteten Meta-Tag fehlte jedoch die Einschränkung, dass die Mängel nur in zwei der 94 Filialen auftragten. Der Snippet-Vorschlag wurde in der Suchmaschine unverändert angezeigt, wofür der Suchmaschinen-Betreiber nicht haftet. Der Verlag hingegen, der den verkürzten Snippet vorgegeben hatte, haftet für die Verletzung des Unternehmerpersönlichkeitsrechts (LG Köln 28 O 252/24).