TMT Newsletter | Nov 2024

Ausblick

Am 11.11.24 verhandelt der BGH – nach Aufhebung eines Verhandlungstermins in ähnlich gelagerten Fällen – über datenschutzrechtliche Ansprüche nach einem Scraping-Vorfall (VI ZR 10/24; geführt als Leitentscheidungsverfahren, sodass der BGH selbst bei Revisionsrücknahme über die relevanten Rechtsfragen entscheiden könnte). Am 13.11.24 entscheidet das EuG drei Nichtigkeitsklagen gegen den EUKOM-Fusionsbeschluss bzgl. Vodafone/Certain Liberty Global Assets (T-58/20T-64/20T-69/20). Am 14.11.24 entscheidet der EuGH u.a. zur unmittelbaren (Dritt)Wirkung der Info-Soc-RL (C-230/23) und zum Begriff des "Durchschnittverbrauchers" i.S.d. UGP-RL (C-646/22). Am 21.11.24 verkündet der BGH ein Urteil zu Ausschüttungen der VG Wort an ihren Förderungsfonds Wissenschaft sowie Herausgeber (I ZR 135/23). Am 26.11.24 verhandelt der EuGH ein Rechtsmittel von WhatsApp gegen ein EuG-Urteil, das einen Verbindlichen Beschluss des EDSA nach Art. 65 Abs. 6 DSGVO bestätigt hatte (C-97/23 P). Am 28.11.2024 entscheidet der EuGH zur datenschutzrechtlichen Informationspflicht und Ausnahmen hiervon (C-169/23).

EuGH – Cheat-Software urheberrechtlich zulässig

Der BGH hatte gefragt, ob die Veränderung von im Arbeitsspeicher angelegten Variablen durch eine Cheat-Software das Urheberrecht am Computerprogramm i.S.d. Software-RL verletzt. Urheberrechtlich geschützt ist jedoch nur der Quellcode, nicht grafische Oberfläche oder Funktionalität eines Computerprogramms. Auch die im Arbeitsspeicher angelegten Variablen, die während des Ablauf des Programms verwendet werden, sind ebenfalls nicht geschützt, soweit sie keine Vervielfältigung des Spielprogramms ermöglichen (PMUrteil C-159/23).

EuGH – Im Anwendungsbereich der Info-Soc-RL kein Umsetzungsspielraum für die RBÜ

Als Werk der angewandten Kunst war ein Designerstuhl in seinem Ursprungsland U.S.A. ohne Urheberrechtsschutz. Nach der Gegenseitigkeitsklausel des Art. 2 Abs. 7 RBÜ ist er daher auch in anderen Verbandsländern ungeschützt. Laut EuGH ist ein solcher Ausschluss von Rechteinhabern aus Drittstaaten aber unvereinbar mit dem unionsrechtlichen Werkbegriff: Er umfasst jede eigene geistige Schöpfung, die mit hinreichender Genauigkeit und Objektivität identifizierbar ist – unabhängig vom Ursprungsland (PMUrteil C-227/23).

EuGH – Marktmissbrauch im Intel-Beschluss nicht ausreichend dargelegt

2009 hatte die EUKOM dem Chiphersteller Intel vorgeworfen mittels Rabatten für verschiedene Computerhersteller Wettbewerber zu behindern. Der EuGH bestätigt die Nichtigerklärung dieses Beschlusses durch das EuG aus 2022: Es hatte die Beweisführung der EUKOM insb. beim Kriterium des ebenso leistungsfähigen Wettbewerbers bemängelt und die Geldbuße i.H.v EUR 1,06 Mrd. aufgehoben (PMUrteil C-240/20 P).

EuGH-GA – Keine zwangsweise Abtretung von Verwertungsrechten ausübender Künstler

Die Mitglieder des belgischen Nationalorchesters müssen wegen eines Erlasses ihre verwandten Schutzrechte gegen eine Pauschalvergütung abtreten. Nach GA Szpunar verstößt dies gegen Unionsrecht: Die Verwertungsrechte der ausübenden Künstler aus RL 2001/29/EG und RL 2006/115/EU seien Rechte vorbeugender Art und könnten nicht in Vergütungsansprüche umgewandelt werden. Die auch auf angestellte Musiker persönlich anwendbaren Art. 18 - 23 RL 2019/790/EU seien ebenfalls zu beachten (Anträge C-575/23).

EUKOM – DSA-Untersuchung gegen Temu eingeleitet

Der als VLOP designierte chinesische Online-Marktplatz steht im Verdacht, nicht ausreichend gegen illegale Produkte vorzugehen und so gegen Art. 34, 35 DSA zu verstoßen. Eine fehlende Risikobewertung und -minderung des Designs der Benutzungsoberfläche und ihrer möglichen Suchtrisikos könnte ebenfalls einen Verstoß gegen diese Normen darstellen. Die mangelnde Offenlegung des Recommender-Algorithmus könnte gegen Art. 27 DSA, das Fehlen einer Nutzungsoption ohne Profiling gegen Art. 38 DSA verstoßen (EUKOM PM v. 31.10.24).

MPK – Reformstaatsvertrag mit Begrenzung von Textbeiträgen in ÖRR-Telemediendiensten

Zur Minimierung der Presseähnlichkeit dieser Angebote sieht der noch von den Landesparlamenten anzunehmende Entwurf eine abschließende Aufzählung in § 30 Abs. 7 MStV-E vor. In den Telemedienangeboten wären, neben dem Schwerpunkt auf Bewegtbild und Ton, demnach als Texte nur noch u.a. "sendungsbegleitende Texte", "Schlagzeilen" und "Faktenchecks" zulässig.

BGH – Staatsferne der Presse bei Stellanzeigen im Online-Portal eines Landkreises verletzt

Die Veröffentlichung von Stellenanzeigen auf einem solchen Portal ist, auch wenn unentgeltlich, eine geschäftliche Handlung der öffentlichen Hand. Auch Anzeigenteile unterliegen der Pressefreiheit, da sich Verlage auch hierüber finanzieren. Der kostenlose Betrieb eines Anzeigenportals auf dem Online-Portal eines Landkreises sei somit geeignet, privaten Verlegern Anzeigenkunden zu entziehen, sodass der Betrieb gem. § 3a UWG i.V.m. Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG wettbewerbswidrig ist (PM I ZR 142/23).

BGH – Keine Panoramafreiheit bei Aufnahmen mittels einer Drohne

Die widerstreitenden Interessen der Werknutzer und Urheber, die angemessen an der Nutzung ihrer Werke beteiligt werden wollen, sind gegeneinander abzuwägen. Bei der Verwertung von mit Hilfe einer Drohne aufgenommenen Bildern überwiegen die Rechte der Urheber, da Drohnen eine der Allgemeinheit nicht zugängliche Perspektive bieten (PM I ZR 67/23).

BGH – Online-Marktplätze haften urheberrechtlich nach den Maßstäben der YouTube-Rechtsprechung

Nach diesen Maßstäben muss der Marktplatzbetreiber nach einem Hinweis auf eine Rechtsverletzung nicht nur das konkrete Angebot sperren, sondern auch nach gleichartigen Angeboten suchen, um nicht täterschaftlich zu haften. Der Haftungsausschluss für Hosting-Anbieter (Art. 14 E-Commerce-RL; jetzt Art. 6 DSA) ist nicht anwendbar. Damit haften Marktplatzbetreiber letztlich schärfer als Anbieter von Diensten für das Teilen von Online-Inhalten (Art. 17 DSM-RL bzw. UrhDaG). Das EuGH-Urteil i.d.S. Louboutin zur markenrechtlichen Benutzung ist im Urheberrecht dagegen nicht anwendbar (BGH I ZR 112/23).

LG München – Kartellrechtswidrige Bündelung von Werbe- und Medienrechten

Die FIS als Weltskiverband hatte in einem Beschluss festgelegt, dass sie die bei internationalen Skiwettbewerben entstehenden Werbe- und Medienrechte im Wege einer Zentralvermarktung wahrnimmt. Nach dem – nach Ansicht des Gerichts anwendbaren – europäischen Kartellrecht hat die FIS für diese Wettbewerbe eine marktbeherrschende Stellung. Der Vermarkungsausschluss nationaler Verbände als originäre Rechteinhaber sei auch eine ungerechtfertigte Wettbewerbsbehinderung (PM LG München 37 O 7091/24).